
Welche Verpackung ist am umweltfreundlichsten? Ist Glas ökologischer als Alu? Ist Einwegplastik immer schlechter als die Alternative? Wie kann ich möglichst nachhaltig einkaufen? Diesen und noch anderen Fragen gehen wir auf den Grund.
Ich stehe regelmässig beim Einkaufen vor einem Regal und stelle mir die Frage: Welche Verpackung ist denn nun ökologischer? Kaufe ich den Joghurt lieber im Glas oder im Plastik-Becher?
Verpackung: Ein komplexes Thema
Bei meiner Recherche rund um dieses Thema musste ich feststellen, dass die Frage nach der umweltfreundlichsten Verpackung sich gar nicht so pauschal beantworten lässt.
Denn zur Ökobilanz einer Verpackung gehört nicht nur das verarbeitete Material und der entstandene Abfall. Man muss den gesamten Lebensweg betrachten. Und zwar von der Rohstoffgewinnung und der Herstellung über den Transport und die Nutzung bis hin zur Entsorgung der Verpackung.
Warum braucht es eine Verpackung?
First things first: Die Hauptaufgabe einer Verpackung ist es, ihren Inhalt bei Transport und Lagerung zu schützen und so, Food Waste zu vermeiden.
Denn: Aus Ökobilanz-Perspektive ist Food Waste schlimmer als etwa das entstandene Abfallvolumen, welcher die Verpackung mit sich bringt.
In einem Beitrag von www.nachhaltigleben.ch sagt der Ökobilanz-Experte Roland Hischier, von der Eidgenössichen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa, dazu: “Wenn ein Supermarkt mehr Salatgurken wegwerfen muss, weil sie unverpackt sind, dann ist das aus ökologischer Sicht schlechter, als wenn die Gurken eine Plastikfolie hätten.”
Deswegen ist es wichtig, das Gesamtbild hinter einem Produkt zu sehen.
Produkte und ihre Verpackungen
Aber vergleichen wir zu Beginn Produkte und zwei ihrer möglichen Verpackungen. Fassen wir dabei drei Aspekte ins Auge: Herstellung, Produktschutz und Entsorgung. Wir stützen uns hierbei auf eine Auswertung von Bio Suisse, welche das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBl) beauftragt hat, verschiedene Produktverpackungen anhand der Verpackungsleitsätze von Bio Suisse zu analysieren.
Joghurt*
Kunststoffbecher aus Polystyrol mit Kartonumschlag vs. transparentes Einweg-Glas
Herstellung
- PS-Becher: Besteht aus einem hohen Anteil nachwachsender Rohstoffe. Je mehr Joghurt-Inhalt, desto ökologischer
- Einweg-Glas: Mineralische Rohstoffquelle, aber sehr hohes Materialgewicht im Verhältnis zum Inhalt
Produktschutz
- PS-Becher: Hoher Lichtschutz und hohe Stabilität durch den Kartonumschlag
- Einweg-Glas: Sehr hohe Stabilität, aber geringer Lichtschutz und Bruchgefahr
Entsorgung
- PS-Becher: Kartonrecycling
- Einweg-Glas: Glasrecycling oder Wiederverwendung im Haushalt
Bist du auch überrascht, dass der PS-Becher noch relativ gut abschneidet?
Vor allem das Verhältnis des Verpackungsmaterials zum Inhalt spielt hier eine grosse Rolle und führt dazu, dass das Einweg-Glas hier mit am schlechtesten abschneidet (von insgesamt sechs Verpackungen). Der PS-Becher ist eine relativ ausgeglichene Alternative. Was in der Gesamtbewertung noch besser als der Becher abschneidet, ist das Mehrweg-Glas – bei entsprechender Wiederbenutzung.
Gemüse, Beispiel Tomaten*
PET-Schale mit Deckel versus Aufkleber/Banderole
Herstellung
- PET-Schale: Fossile, erdölbasierte Rohstoffe und eher zu viel Verpackung, als nötig
- Aufkleber: Nachwachsende Rohstoffe und sehr leicht
Produktschutz
- PET-Schale: Verpackung insgesamt stabil und schützt vor Belastungen und Druck. Verdunstungsschutz beschleunigt Reifung, aber auch Verderb
- Aufkleber: Kein Schutz vor mechanischen Kräften, dafür atmungsaktiv. Ohne Nachreifen, eignet sich deswegen für Schweizerware
Entsorgung
- PET-Schale: Thermische Verwertung in Kehrichtverwertungsanlage (KVA), keine Recyclingmöglichkeit in der Schweiz
- Aufkleber: Thermische Verwertung in KVA
Das Ergebnis ist hier weniger überraschend. Der Aufkleber ist hier die mit Abstand umweltfreundlichste Verpackung: Das Gewicht ist sehr gering und es entsteht fast kein Abfall. Die PET-Schale hingegen bildet aufgrund ihres erdölbasierten Materials das Schlusslicht der Bewertung.
Dafür sind die Tomaten nur mit dem Aufkleber kaum geschützt, weil ja kaum Verpackung vorhanden ist. Sie sind allerdings in Verpackungen mit hoher Luftdurchlässigkeit länger haltbar. Also auch hier: Ein Rattenschwanz ohne Ende.
Bio Suisse hat noch mehr Produkte und Verpackungen verglichen und oft ist das Ergebnis nicht ganz so eindeutig. Hier geht’s zum gesamten Verpackungsbericht von Bio Suisse.
*
Next level: Getränke-Verpackungen
Die Verpackung von Getränken muss nochmals gesondert betrachtet werden. Das Bundesamt für Umwelt und Statistik hat in einer 2014 erhobenen Ökobilanz gezeigt, dass auch hier die unterschiedlichsten Faktoren eine Rolle spielen.
Zum Beispiel hat die Herstellung des Inhalts, also des Getränks, oft einen grösseren Einfluss auf die Ökobilanz als die der Verpackung (oder dessen Entsorgung). Lediglich beim Mineralwasser ist es umgekehrt.
Auch die Art und der Ort des Konsums hat einen Einfluss auf die finale Bilanz:
Wenn du dein Bier zu Hause geniesst, dann solltest du das am besten mit einer Mehrweg-Glasflasche à 0.33 Liter oder einer 5 Deziliter Aludose tun. Bist du unterwegs, schneidet die Aludose besser als das Glas ab. Konsumierst du hingegen im Ausschank, ist das Bier ab Fass der Spitzenreiter – oder die Halbliter Mehrweg-Flasche.
Zwar ist die Glasherstellung trotz hohem Recyclinganteil sehr energieintensiv. Aber durch das mehrmalige Wiederbefüllen kann der Herstellungsanteil merklich reduziert werden und gleich auch den Rücktransport und das Auswaschen aus. Die Aludosen sind leicht und weisen eine mit über 90% hohe Recyclingquote aus.
Ja, auch die Grösse der Flasche spielt eine Rolle. Wenn du deinen Fruchtsaft zu Hause konsumierst, dann solltest du eine 1-Liter der 0.25-Liter-Verpackung vorziehen. Der Getränkekarton und die PET-Flasche schneiden knapp am besten ab. Konsumierst du hingegen unterwegs, sind die 0.25-Liter-Variante (Karton) und der 0.2-Liter Beutel die beste Wahl (die wenigsten Menschen spazieren mit einer Liter-Flasche Fruchtsaft durch die Stadt).
Die Materialeinsparung bei der grösseren Variante ist der Grund, wieso die grosse PET-Flasche besser abschneidet als die kleinere Schwester.
Du kannst es dir bestimmt denken: Der Transport? Auch wichtig! Wird Bier in 0,33 Liter-Glasflaschen transportiert, passen wegen des Gesamtgewichts nur etwa 10’000 Liter in einen Lastwagen. Wäre das Bier in Aludosen, könnte man die fast doppelte Menge (21’000 Liter) transportieren.
Haltbarkeit nicht unterschätzen
Worauf ich noch gar nicht eingegangen bin, ist die Haltbarkeit eines Produkts, denn die kann auch ausschlaggebend sein. Im bereits zitierten Beitrag von nachhaltigleben.ch wurde anhand einer 150-Gramm-Packung Oliven geschaut, welche Verpackung am ökologischsten ist.
Zum Vergleich standen
- eine Glasverpackung (188 Gramm)
- eine Weissblechdose (56 Gramm)
- ein Standbeutel aus Plastik (7 Gramm)
Das Glas schneidet, aufgrund des hohen Energieverbrauch bei der Herstellung der Dose, besser ab. Aber noch besser kommt der Plastikbeutel weg – wegen seines leichten Gewichts und der geringen Menge an Rohstoffen.
Kommen wir nun aber zu der Haltbarkeit:
Am längsten haltbar sind die Oliven nämlich in der letztplatzierten Weissblechdose – über Jahre. Im Plastikbeutel rückt das Ablaufdatum am schnellsten näher. Im Glas sind die Oliven nicht so lange wie in der Dose geniessbar, dafür kannst du hier die Verpackung wieder schliessen und in den Kühlschrank stellen.
Aus der Food-Waste-Perspektive schneidet also das Glas am besten ab. Und weil der Food-Waste, wie bereits erwähnt, schlimmer als das Entsorgen der Verpackung ist, ist der Griff zum Glas hier doch wieder die beste Wahl.
Ich könnte hier ewig weiter aufzählen und könnte trotzdem nicht alle Aspekte berücksichtigen. Fassen wir deswegen zusammen. Verpackung ist nicht gleich Verpackung! Um eine komplette Ökobilanz zu ziehen, müssen u.a. folgende Faktoren mit berücksichtigt werden:
- Herstellung des Inhalts
- Herstellung und Entsorgung der Verpackung
- Grösse der Verpackung im Vergleich zum Inhalt
- Schutz des Inhalts (Haltbarkeit)
- Ort und Art des Konsums
- Transportweg
- Stapelbarkeit
Verpackung ist nicht gleich Verpackung
Meine Recherche zeigt: Es gibt nicht DIE umweltfreundlichste Verpackung. Jedes Produkt, jede Situation muss neu beurteilt werden. Ist es bei einigen Produkten sinnvoll, die Verpackung wegzulassen, braucht es bei anderen aus Haltbarkeitsgründen unbedingt einen Schutz. Schneidet die Plastik-Variante manchmal besser als die Glasflasche ab, ist bei anderen wiederum die Grösse ausschlaggebend.
Nachhaltig einkaufen
Worauf kannst du dich also achten, wenn du nachhaltig einkaufen und konsumieren möchtest?
- Lang haltbare Lebensmittel: Linsen, Reis oder Nüsse haben eine sehr hohe Haltbarkeit und werden deswegen am besten in einem Unverpackt-Laden oder in wiederverwendbaren Behältern wie bei Lyfa besorgt.
- Bring your own Behältnis: Kaufst du etwas an der Frischtheke, dann bringe deine eigene Verpackung mit. Dasselbe gilt für Früchte und Gemüse.
- Lagerung: Überlege dir grundsätzlich beim Einkaufen, wie lange das Produkt zu Hause “überleben” muss, bis du es verarbeitest. Benötigst du die Tomaten erst in einer Woche? Dann kauf sie nicht jetzt schon, sie könnten vorher verderben.
- Upcycling: Geht’s nicht ohne Verpackung, dann hauch ihr ein oder zwei weitere Leben ein. Plastiktüten möglichst oft wiederverwenden (etwa für deinen Badezimmerabfalleimer) oder Dosen zum Basteln.
- Saisonal und regional: Je kürzer die Transportwege, desto besser. Achte dich, woher das Produkt stammt. Hat es Saison? Noch besser.
- Bio-Qualität: Achte auf Bio-Qualität, vor allem wenn dein Produkt nicht saisonal ist. So muss es wenigstens strengen Bio-Richtlinien entsprechen.
- Nachfüllbeutel: Gibt es dein Wasch- oder Spülmittel nicht in Mehrweg-Behältern, dann entscheide dich beim Wiedereinkauf für einen Nachfüllbeutel statt einer neuen Verpackung. Sie ist umweltschonender wegen der geringeren Materialkosten.
- Lass dein Auto stehen: Vor allem für kleine Einkäufe (wie etwa frische Brötchen vom Bäcker) ist das Fahrrad oder der Spaziergang immer die bessere Alternative zum Wagen.
- Recycling: Geht es nicht ohne Verpackung, dann recycle unbedingt konsequent. Der Joghurtbecher kommt in eine andere Entsorgung als der Deckel.
- Food Waste: Verhindere das Wegwerfen von Lebensmittel wann immer möglich!
Abfallfrei immer noch unser Favorit
Die Ökobilanz beweist: Die beste Verpackung ist diejenige, die das Produkt gut schützt, das dafür aufgewendete Material in einem optimalen Verhältnis zum Inhalt steht und der Energiebedarf so niedrig wie möglich ist.
Manchmal ist das der Karton, manchmal das Glas, in anderen Fällen auch Plastik. Jeder Fall muss einzeln betrachtet werden.
Unserer Meinung nach ist es immer noch am besten, wenn der Abfall erst gar nicht produziert wird. Deswegen bleiben wir grosse Verfechter des abfallfreien, verpackungslosen Einkaufens – und natürlich des Zero-Waste’s!
Was denkt ihr über das Thema Verpackungen? Setzt ihr auf konsequentes Recycling oder kauft ihr gleich ohne Verpackungsmüll ein? Schreibt es uns in die Kommentare!
Sehr guter und informativer Artikel – Vielen Dank. Am besten ist es, wenn alle Produkte in Packpapier oder Glas eingepackt werden würden. 🙂